Metal Finds
and Coins
JERASH PAPERS
General Editors
Achim Lichtenberger, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Rubina Raja, Aarhus Universitet
VOLUME 7
© BREPOLS PUBLISHERS
THIS DOCUMENT MAY BE PRINTED FOR PRIVATE USE ONLY.
IT MAY NOT BE DISTRIBUTED WITHOUT PERMISSION OF THE PUBLISHER.
Metal Finds
and Coins
Final Publications from
the Danish-German Jerash
Northwest Quarter Project II
Edited by
Achim Lichtenberger
and Rubina Raja
Contents
List of Illustrations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . vii
List of Abbreviations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . xi
1. Preface and Introduction
ACHIM LICHTENBERGER and RUBINA RAJA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Metal Finds
2. Die Metallkleinfunde aus dem Nordwestquartier von Gerasa/Jerash
CHRISTOPH EGER. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Coins
3. Greek and Roman Coins from the Jerash Northwest Quarter Excavations
ACHIM LICHTENBERGER and RUBINA RAJA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
4. The Coins of the Jerash Northwest Quarter Project and
the Umayyad Money Circulation in Jund al-Urdunn
INGRID SCHULZE and WOLFGANG SCHULZE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
About the Authors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
2. Die Metallkleinfunde aus dem
Nordwestquartier von Gerasa/Jerash
Christoph Eger
Institut für Prähistorische Archäologie, Freie Universität Berlin. chr_eger@yahoo.de
Graph 2.1. Jerash 2012–16 — Metallkleinfunde.
Aufteilung nach Metallen. (Anzahl der Eisenfunde geschätzt.
Bleiperlen mit Goldfolienüberzug nicht berücksichtigt.)
Fundmaterial
Während der vier Grabungskampagnen 2012–16 wur
den insgesamt 747 Fundnummern für Metallkleinfunde
vergeben, die mindestens ein, häufig sogar mehr als ein
Artefakt oder Fragment aus Metall umfassen.1 Insgesamt
wurden rund 1000 metallene Objekte bzw. Fragmente
geborgen. Die meisten, nämlich über 700, bestehen aus
Eisen, das durch die Lagerung im Boden stark korrodiert
ist. Viele Objekte sind bis zur Unkenntlichkeit aufge
blüht und zum Teil auch zerbrochen oder sogar zersplit
* Abbildungsnachweise: Diagramm oben und alle Fotos: Chris
toph Eger; Abb. 1–18: Arwa DarwichEger und Christoph Eger.
1 Nicht einbezogen sind hierbei die Blechperlen, die gemeinsam
mit weiteren Schmuckperlen und Schmuckgegenständen von Signe
Krag gesondert behandelt werden sollen.
tert. Deshalb lässt sich keine exakte
Zahl der Eisenfunde angeben.
Ca. 200 Objekte bestehen aus
unterschiedlichen Legierungen
von Buntmetall (Kupfer, Bronze,
Messing , etc.). Auch diese wei
sen durchweg eine Korrosions
schicht auf. Jedoch haben viele
Objekte eine mehr oder wenige
stabile Patina. Nur ein Teil der
Bunt metall objekte ist so stark
korrodiert, dass sie nicht alle for
menkundlichen Details erken
nen lassen und sie überdies in
ihrem Bestand gefährdet sind. Die
metallo graphische Untersuchung
von 49 Objekten ergab, dass neben
Kupfer und Bronze auch Blei
bronze, Messing und Bleimessing
für die Herstellung der unterschiedlichen Artefakte
diente.2 Messing und Bleimessing lassen sich in Jerash
bislang nur für Objekte römischer und byzantinischer
Zeitstellung nachweisen. Als Altmetall kam es jedoch
auch in umayyadischem Kontext vor (Verwahrfund in
Schnitt K, evidence 34, siehe unten).
Ca. 35 Objekte bestehen aus Blei, das sich durch eine
grauweiße, leicht mehlige Korrosionsschicht auszeich
net. Bei acht weiteren Metallobjekten war eine ähnliche
Oberfläche zu beobachten. Allerdings handelt es sich
um ein deutlich härteres Material als Blei; es wurde im
Katalog vorsichtig als Weißmetall angesprochen.3
2 Zu den metallurgischen Untersuchungen siehe Orfanou u. a.
(eingereicht).
3 Hier müssten noch nähere Analysen erweisen, um welches
Metall respektive welche Metalllegierung es sich handelt.
Metal Finds and Coins: Final Publications from the Danish-German Jerash Northwest Quarter Project II, ed. by Achim Lichtenberger and
Rubina Raja, JP 7 (Turnhout: Brepols, 2020), 7–121
PUBLISHERS
DOI 10.1484/M.JPEB.5.121023
BREPOLS
8
Christoph Eger
Mit Ausnahme eines Drahtrestes aus Gold (Kat.Nr. 77), sieben mit Goldfolie überzogenen Perlen aus
Blei und einem silbernen Fluchtäfelchen4 sind im Nordwestquartier von Gerasa keinerlei Funde aus Edelmetall
geborgen worden.
Bei drei Objekten konnte das Material nicht bestimmt werden.
Bemerkungen zu Fundaufkommen und
Quellenlage der Metallkleinfunde
Die Zahl der Metallkleinfunde erscheint für eine Grabung in römischen bis islamischen Siedlungskontexten
in Jordanien erstaunlich hoch. Bislang ist aus keiner
einzigen Grabung in einer der römisch-byzantinischen
Städte der Dekapolis eine vergleichbar große Zahl an
Metallkleinfunden aus Siedlungsschichten vorgelegt
geworden.5 Es steht allerdings zu vermuten, dass dies
weniger mit der Quellenlage bzw. dem Fundniederschlag
in den Siedlungen als mit dem Publikationsstand zusammenhängt. In vielen Vorberichten und Abschlusspublikationen zu Siedlungsgrabungen im antiken und spätantiken Mittelmeerraum werden Metallkleinfunde, zumal
unansehnliche eiserne Reste, nicht oder nur am Rande
behandelt. Vorgelegt sind meist nur einzelne, ‘bessere’
Stücke.6 Das trifft auch auf Gerasa zu, wie die nur in kleiner Auswahl vorgelegten Metallfunde aus den internationalen Grabungen der 1980er Jahre zeigen.7 Allerdings
hat es immer schon Ausnahmen gegeben. Dazu gehören u. a. die außerordentlich reichhaltigen Bestände an
Kleinfunde aus Metall und anderen Materialien aus den
amerikanischen Ausgrabungen in Korinth, Griechenland, und Sardis, Türkei, deren vorbildliche Publikationen zu wichtigen Referenzwerken für den östlichen Mittelmeerraum geworden sind.8 Mit dem großen Bestand
an eisernem Gerät aus den deutschen Ausgrabungen in
Olympia, Griechenland, und in Pergamon, Türkei, sind
Objektgruppen erschlossen worden, die lange Zeit ein
wissenschaftliches Schattendasein führten.9 Vor wenigen
Jahren erfolgte die Publikation der Metallkleinfunde,
darunter viele Eisenfunde, aus den französischen Unternehmungen in Zeugma, Türkei.10 Bezüglich der Militaria ist auf die Aufarbeitung der Funde aus den Altgrabungen in Dura-Europos, Syrien, hinzuweisen.11
Wie viele und welche Metallreste in einer Siedlung
oder Siedlungsschicht für gewöhnlich zurückblieben,
lässt sich kaum prognostizieren. Dies hängt neben der
Verfügbarkeit der Metalle von der individuellen Entwicklung des Fundplatzes ab. Hierzu fehlen systematische Untersuchungen. Generell gilt, dass die verschiedenen Metalle, edle wie unedle, vergleichsweise wertvolle
Rohstoffe waren, die man nach Möglichkeit recycelte.
Zerbrochenes aus Metall wird daher nicht wie Überreste
der Nahrung und zerbrochene Keramik als Siedlungsabfall entsorgt, sondern in aller Regel aufgesammelt, eingeschmolzen und wiederverwertet. Generell ist daher in
Siedlungen von einem — etwa im Vergleich zur Keramik
— geringen Fundniederschlag von Metallfunden auszugehen. Mehr und besser erhaltene Gegenstände aus
Metall treten dann auf, wenn sie gezielt gehortet und an
einem bestimmten Ort versteckt oder im Boden vergraben wurden, um sie vor fremdem Zugriff zu schützen.
Solche Horte und Depots können die Zeiten überdauern, wenn der ursprüngliche Eigentümer nicht mehr
dazu kam, diese Verwahrfunde zu bergen und wieder an
sich zu nehmen. Dies könnte auf die kleine Ansammlung
von Metallfunden zutreffen, die in der Grabungskampagne 2014 in Schnitt K, evidence 34 zutage kam.
Weitere Ereignisse, die das Fundaufkommen von
Metallkleinfunden in Siedlungen stark beeinflussen, sind
Naturkatastrophen und kriegerische Ereignisse: Werden
Metallfunde zusammen mit vielen anderen Objekten des
täglichen Lebens unter Massen von Schutt begraben,
die später nicht mehr beseitigt werden — sei es, dass der
Siedlungsplatz nach der Katastrophe aufgegeben wurde
oder sei es, dass man auf den Trümmern siedelte, ohne
diese abzuräumen — so stehen die Chancen auf einen
außerordentlichen Fundreichtum ebenfalls gut.12 Eine
4
Zur genauen Materialzusammensetzung siehe Lichtenberger
u. a. 2016, 334 fig. 36–41.
9 Baitinger und Völling 2007; Gaitzsch 2005.
5 Eine relativ hohe Zahl an Metallkleinfunden erbrachten
die Grabungen in Pella/Fahl. Diese stammen allerdings zu einem
10 Dieudonné-Glad, Feugère und Önal 2013.
Großteil aus Gräbern und nicht aus Siedlungsschichten, vgl. Smith
11 James 2004.
1973; McNicoll, Smith und Hennessy 1982; Smith und Day 1989.
12 Vgl. beispielsweise das beeindruckende Spektrum an byzanti6 Vgl. hierzu die einleitenden Bemerkungen von Baitinger und
nischen Metallkleinfunden aus der im frühen siebten Jahrhundert
Völling 2007, 1 mit Anm. 1.
n. Chr. zerstörten und anschließend aufgegebenen Ladenzeile von
7 Vgl. die Grabungsberichte in Zayadine 1986 und die Beiträge
Sardis: Waldbaum 1983; Stephens Crawford 1990, 19–106. Die
in Syria 66, 1989.
Ursache für die Zerstörung (Naturkatstrophe oder Zerstörung durch
8 Davidson 1952; Waldbaum 1983.
die Perser) ist umstritten: Stephens Crawford 1990, 2 Anm. 11.
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2. Die Metallkleinfunde aus dem Nordwestquartier von Gerasa/Jerash
Gewähr gibt es dafür allerdings nicht, wie die verschiedenen Befunde im Nordwestquartier von Gerasa zeigen:
Wurde in dem in Schnitt K entdeckten Haus ein kleiner
Verwahrfund aus Altmetallstücken entdeckt, so blieben die beiden anderen von dem Erdbeben 749 n. Chr.
zum Einsturz gebrachten Privathäuser in den Schnitten
U und V bezüglich der Metallkleinfunde hinter den
Erwartungen zurück. Weder konnten besonders viele
Metallfunde, noch außergewöhnliche Stücke geborgen
werden. Vollständige Buntmetallgefäße, wie sie etwas in
den zerstörten byzantinischen Läden in Sardis freigelegt
wurden, fehlen. Die auffällige Fundarmut ist nach Analyse des Gesamtbefundes wohl damit zu erklären, dass
diese Gebäude zum Zeitpunkt des Erdbebens umgebaut
wurden und deshalb weitgehend ausgeräumt waren.13
Durch die akribische Erfassung der Metallreste aus
den dänisch-deutschen Ausgrabungen im Nordwestquartier von Gerasa ist es möglich, einen differenzierten
Überblick über den Fundniederschlag in den einzelnen
Sektoren zu gewinnen und in die Interpretation der Grabungsbefunde miteinzubeziehen. Aus diesem Grund
wurde der vollständige Fundkatalog vorgelegt, der alle
Metallfunde, auch kleinere Fragmente und formenkundlich nicht bestimmbare Reste, umfasst.14 Für die
Datierung wird, so nicht anders vermerkt, die im Projekt
übliche Periodisierung verwendet, die sich an den in der
jordanischen Archäologie gebräuchlichen Bezeichnungen orientiert.15
Formenspektrum
Bei rund zwei Drittel der Fundnummern handelt es sich
um Reste eiserner Nägel oder nicht näher identifizierbare Fragmente. Insbesondere die eisernen Funde sind
von starker Korrosion betroffen. In den äußeren Korrosionsschichten der Eisenfunde haben sich Reste der
umgebenden Erde und kleine Steinchen eingelagert, die
eine Identifizierung der ursprünglichen Form ohne vor13
Lichtenberger und Raja 2018a, 160.
Um den Arbeitsaufwand zu begrenzen, wurden jedoch
nicht alle Funde detailliert beschrieben. Auch konnte Verfasser bei
seinem Aufenthalt 2016 nicht alle Funde studieren. Siehe hierzu die
Vorbemerkungen im Katalog.
15 Dies ist insbesondere bei den byzantinischen Periodenbegriffen zu beachten: Frühbyzantinisch deckt im Gegensatz zu dem
in der deutschsprachigen Forschung sonst üblichen Gebrauch das
vierte und fünfte Jahrhundert ab, spätbyzantinisch das sechste und
siebte Jahrhundert. Siehe dazu auch die einleitenden Bemerkungen
im Katalogteil.
14
9
herige Reinigung erschwert oder unmöglich macht. Eine
künftige röntgenologische Untersuchung und Restaurierung könnten zur Identifizierung solcher Fragmente
beitragen.
Nachfolgend werden die ihrer Form nach bestimmbaren Metallkleinfunde in verschiedene funktionale
Gruppen eingeteilt und kurz kommentiert. Nicht immer
ließ sich aus der Objektform und dem Befundkontext
die Funktion mit wünschenswerter Klarheit ableiten;
manche Deutung bleibt daher hypothetisch. Es lassen
sich Funde aus den folgenden funktionalen Kategorien
ermitteln:
1. Kleidungszubehör und Schmuck
2. Gerät zur Körperpflege
3. Klanggerät
4. Häusliches Gerät
5. Möbel- und Kästchenbeschläge
6. Schlossbestandteile
7. Gefäßreste
8. Waagzubehör
9. Werkzeug
10. Verbindungselemente für Haus- und Möbelbau
11. Metallverarbeitung
12. Bewaffnung
Bemerkenswert ist eine Ansammlung von über 30 Metallkleinfunden, die in Schnitt K, in einem umayyadenzeitlichen Haus, zum Vorschein kam (Befund Kh-34).
Handelt es sich bei fast allen übrigen Funden der Grabung um Verlustfunde oder durch Beschädigung oder
Verschleiß unbrauchbar Gewordenes, das achtlos im
Boden entsorgt wurde, so hat man die Objekte Kh-34
sorgfältig aufbewahrt. Einige der auf engstem Raum
geborgenen Funde waren durch starke Korrosion fest
miteinander ‘verbacken’ (Farbtafel: 321, 331, 330–34).
Zum Vorschein kamen funktional unterschiedlichste
Objekte, darunter lose Bestandteile von einer Waage,
Kleingerät des häuslichen Bereichs, Bestandteile von
Kleidungszubehör sowie Bauklammern. Dieses Sammelsurium gibt einige Rätsel auf. Für das Depot eines
spezialisierten Handwerkers oder Händlers erscheint die
Auswahl an Gerät zu vielfältig und beliebig. Außerdem
liegen mehrfach nur einzelne Bestandteile vor, die so
nicht gebrauchsfähig waren, wie etwa die gabelförmige
Aufhängung einer kleinen gleicharmigen Waage oder ein
einzelner Gefäßfuß. Einige Objekte dürften schon länger außer Gebrauch gewesen sein, als das Konvolut während des Erdbebens von 749 unter den Schuttmassen des
10
Christoph Eger
Hauses begraben wurde.16 Der Befund lässt sich am ehesten damit erklären, dass einer der Bewohner des Hauses
kleinere Altmetallstücke in einem hölzernen Kasten aufbewahrte, um sie später zu recyceln.17 Der Kasten wurde
offenbar mit einem Schloss gesichert, dessen eiserner
Schlosskasten ebenfalls zu den Funden des Konvoluts
Kh-34 zählt.
Außer Funden, die auf bestimmte (haus-)wirtschaftliche Aktivitäten verweisen, galt den Militaria aus dem
Nordwestquartier von Gerasa besondere Aufmerksamkeit. Durch eine neu entdeckte Mosaikinschrift
aus einem Nebenraum der Synagogenkirche erhielt die
Diskussion um eine Truppenpräsenz im byzantinischen
Gerasa unerwartet Auftrieb.18 So stand zu hoffen, den
epigraphischen Beleg durch weiteres Fundmaterial abzusichern und zu ergänzen. Um es voraus zu schicken: Insgesamt kamen nur wenige Bestandteile von Waffen und
Ausrüstung ans Licht, die nicht allein aus byzantinischer
Zeit stammen, sondern sich auf die vorhellenistische
bis islamische Besiedlungsphase verteilen. Zu den raren
Funden des späten sechsten bis siebten Jahrhunderts
gehören eine Riemenzunge und das Pressmodel eines
Riemenbesatzes, beides mit großer Wahrscheinlichkeit
Besatzstücke militärischer cingula, die aus dem oben
erwähnten Altmetalldepot stammen und damit ein weiteres Mal dessen Bedeutung für die Interpretation der
Grabung unterstreichen.
Kleidungszubehör und Schmuck
Gürtelbesatz vom Leibriemen
(Abb. 2.1: 229, 276, 342; Farbtafel 3, 229; 11, 342)
Nur sehr wenige Metallkleinfunde aus den Grabungen im Nordwestquartier lassen sich dem Gürtelbesatz
zurechnen. Unter der Ansammlung von Altmetallstükken des Befundes Kh-34 befand sich eine rund 6 cm
lange U-förmige Riemenzunge mit Schlitztülle aus
Buntmetall (Kat.-Nr. 342). Abgesehen von dem einseitig profilierten Abschluss der Tülle trägt die Riemenzunge keinerlei Verzierungen. In den beiden kreisrunden
Löchern in Zwickeln des oberen Abschlusses steckten
einst die Nietstifte, die das in die Riemenzunge eingeführte Gürtelende fixierten. Langschmale Riemenzun-
gen in U-Form waren im sechsten und siebten Jahrhundert n. Chr. sowohl bei zweiteiligen, aus einer Schnalle
und einer Riemenzunge bestehenden Gürtelgarnituren19
als auch bei vielteiligen Gürteln gebräuchlich. Je nach
Größe dienten sie als Abschluss der Nebenriemen oder
des Hauptriemens eines vielteiligen Gürtels. Die überwiegende Mehrheit der Riemenzungen der spätbyzantinischen Zeit ist zumindest auf der Schauseite, meist
aber auf beiden Seiten verziert. Schmucklose Riemenzungen sind selten. So war die in das frühe siebte Jahrhundert datierende Riemenzunge aus dem Schiffsfund
von Yassi Ada, Türkei, offenbar unverziert.20 Eine blanke
Riemenzunge stammt auch aus Grab 325 des krimgotischen Gräberfeldes von Skalistoe.21 Über weitere, zum
Inventar zählende Bestandteile des Gürtelbesatzes lässt
sich das Stück in die Zeit um 600 und die erste Hälfte
des siebten Jahrhunderts einordnen. Beide Riemenzungen weisen allerdings ebenso wie die Masse der verzierten Riemenzungen eine beidseitig gerade abschließende
Schlitztülle auf. Mit den profilierten Tüllen nimmt das
Exemplar aus Gerasa bislang eine Sonderstellung ein.22
Die Metallkleinfunde des Befundes Kh-34, zu der
auch die Riemenzunge gehört, bilden eine Ansammlung
von rund 30 Objekten aus Buntmetall und Eisen, die
dicht beieinanderlagen und sehr wahrscheinlich ein in
einem Kästchen aufbewahrtes Altmetalldepot bilden.
Von herausragender Bedeutung für die Ausgrabungen im Nordwestquartier ist das kleine Pressmodel Kat.Nr. 229, das ebenfalls in Schnitt K gefunden wurde und
damit sehr wahrscheinlich aus umayyadenzeitlichem
Kontext stammt.23 Mit dem Model konnten Besatzstücke
für einen vielteiligen Gürtel hergestellt werden.24 Dass
es sich hierbei um einen Model und nicht etwa um das
Besatzstück selbst handelt, zeigt die massive, ohne Befestigungszapfen oder Nietlöcher auskommende, blockhafte Form. An der oberen, gerade abschließenden
19
Vgl. Martin 1996, 355 Abb. 5.
Bass und van Doorninck 1982, 275 fig. 12–5, MF22.
21 Kazanski 2003, 122 fig. 14,37; Vejmarn und Ajbabin 1993,
71 Abb. 48,34.
22 Zu den sehr seltenen Belegen einer Riemenzunge mit profilier ter Schlitztülle vgl. eine Riemenzunge mit maskenförmigem
Durchbruchornament aus Tomis/Constanţa, Rumänien: Bucovala
und Pasca 1992, pl. 11 M.21.
23 Das Model stammt aus einer Fundschicht, deren Fundspektrum von byzantinischer bis in mamelukische Zeit reicht. Die
Masse der Funde datiert allerdings umayyadenzeitlich.
24 Zur Verwendung des Models siehe weiter unten im Abschnitt
zur Metallverarbeitung.
20
16 Zum Befund in Schnitt K und seiner Datierung: Lichtenberger u. a. 2016, 227–333.
17 Vgl. Lichtenberger u. a. 2016, 334–36.
18 Haensch, Lichtenberger und Raja 2016. Siehe dazu weiter
unten.
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2. Die Metallkleinfunde aus dem Nordwestquartier von Gerasa/Jerash
11
Schmalseite setzt auf ganzer
Breite ein kurzer Zapfen an,
der vielleicht zur besseren
Handhabung des Models
diente. Die Form des Models
entspricht einem kleinen
U-förmigen Beschlag oder
einer U-förmigen Nebenriemenzunge eines vielteiligen
Gürtels. Das Gravurornament, das bei der Pressung
auf das Blech übertragen
wird, besteht aus einem charakteristischen axialsymmetrischen Fadendekor. Er setzt
sich aus mehreren kleinen
Bögen und zwei größeren
gegenständigen S-Ornamenten zusammen. Es handelt
sich um ein stark stilisiertes Rankenwerk. Vielteilige
Gürtelbeschläge mit einem
vergleichbaren Fadendekor
wurden von Csanád Bálint
nach einem ungarischen
Fundort als Garnituren vom
Typ Kiskörös bezeichnet
und zuletzt von Mechthild
Schulze-Dörrlamm als Gürtelgarnitur mit eingravierAbb. 2.1. Jerash-Nordwestquartier. Kleidungszubehör: Riemenzunge (Kat.-Nr. 342); Pressblechmodel
tem a xialsymmetrischen
eines Gürtelbeschlags (229); Bleimodell einer Schnalle (276); Schnallenbügel (224); Knebel (259);
Linien dekor vom Typ H2
Rahmenförmige Schnalle (321). — Buntmetall (224, 229, 259, 342); Blei (276); Eisen (321). M. 2:3.
behandelt. 25 Die Beschläge
des eponymen Grabfundes, aber auch eine Riemenzunge
Unter den ohnehin wenigen spätantiken Beschlagteilen
von einem unbekannten ungarischen Fundort stimmen
vielteiliger Gürtel aus dem Nahen Osten ist das Model
mit dem vorliegenden Model u. a. in der Form der S-Ranaus Gerasa der bislang einzige Beleg für Garnituren vom
ken überein.26 Ferner bieten verschiedene GarniturbeTyp Kiskörös.28
standteile aus dem langobardenzeitlichen Gräberfeld
Die Beschläge mit axialsymmetrischer Fadenverzievon Nocera Umbra in Italien Vergleichsmöglichkeiten.27
rung wurden von Joachim Werner gemeinsam mit eng
verwandten Garnituren als Typ Sadovec-Arcisa-Kiskörös
zusammengefasst und in das späte sechste und frühe
25 Bálint 1992, 410; Schulze-Dörrlamm 2009, 268–70. Zuvor
wurden Beschläge mit dieser Verzierung zur Garniturgruppe
Sadovec-Arcisa-Kiskörös (Werner 1974) oder zum Typ Martynovka
(Gáram 2001) gerechnet, die allerdings auch ganz andere Dekorarten
einschließen, darunter durchbrochene Maskenbeschläge. Beide
Verzierungstypen waren zumindest zeitweilig gleichzeitig in
Verwendung, wie ihr gemeinsames Vorkommen im Schatzfund von
Martynovka zeigt.
26 Vgl. Garam 2001, 345 Taf. 94,1 (Kiskörös-Vágóhid Grab 9).
341 Taf. 90,2 (unbekannter Fundort, Ungarn).
27 Vgl. beispielsweise Beschläge aus Nocera Umbra Grab 6 und
Grab 79: Rupp 2005, Taf. 16; Taf. 96, 16a–b.
28 Außer dem bereits oben erwähnten Schatzfund von Hippos/
Sussita, der mehrere goldene, mit Komma-Ornamentik verzierte
Besatzstücke einer vielteiligen Garnitur enthielt (Schuler 2005, 69,
Fig. 99), ist auf noch unpublizierte Beschläge aus dem Gräberfeld
Khirbat es-Samra, Jordanien, sowie auf bildliche Darstellungen
solcher Gürtel aus Umm ar-Rasas, Jordanien, und aus Kissufim,
Israel, hinzuweisen.